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Erfahrungsbericht bitforge AG

Das Gebäude an der Hohlstrasse in Zürich mag nicht sehr malerisch sein, was in seinem Inneren geschieht jedoch umso mehr. Im 2. Stock der Nummer 192 findet man die bitforge Ag. Bitforge, das sind Reto, Andreas, Adrian, Jonas und Julius. Reto und Andreas haben bitforge 2004 gemeinsam aufgebaut, da hatten sie gerade das Informatikstudium an der Hochschule Rapperswil HSR abgeschlossen. Und was macht ein begeisterter Gamer, der noch dazu programmieren kann? Genau, er gründet ein Startup. Die HSR stellte ihnen mit der Stiftung Futur Räumlichkeiten, Internet, Telefonanschluss, Strom und eine Küche zur Verfügung. Damit konnten sie loslegen. Bereits als Student hatte Reto ein Spiel für eine deutsche Firma geschrieben. Er hatte mit seinem Startup zwei Ziele: eine Gamefirma schaffen (damals gab es in der Schweiz noch keine Firma, die sich ausschliesslich mit Gameentwicklung befasste) und in der Schweiz bleiben, damals aus Stolz, heute aus Prinzip. Natürlich wäre so mancher Arbeitsschritt in Indien günstiger. Doch Reto setzt auf Qualität und Kundennähe. „Kundennähe bringt kürzere Kommunikationswege und schnellere Entwicklungszeiten“, erklärt Reto. Sie hätten einige zeitkritische Projekte gehabt, die sonst nicht umsetzbar gewesen wären.

Die erste App entwickelten sie 2005, damals noch für die heute steinzeitlich erscheinenden Sony Ericsson-Handys mit der unmöglichen Bedienung. Sie arbeiteten rund um die Uhr, das erste Jahr auch am Wochenende. „Als Student fällt es noch schwer, zwischen Arbeit und Freizeit zu unterscheiden“, sagt Reto und lächelt. Einmal hätten sie 26 Stunden am Stück gearbeitet und sich danach geschworen, dies nie wieder zu tun. „Mittlerweile haben sich die Arbeitszeiten eingependelt.“

 

Und dann kam das Jahr 2008. Bitforge war gerade zur AG geworden und sie hatten eine App für Swisscom entwickelt. Doch die Wirtschaftskrise machte einen Strich durch die Rechnung der Schweizer Gamepioniere. Die Aufträge wurden weniger und Reto merkte, dass gerade noch genug Geld übrig war für ein Projekt. Das Team beschloss, mit dem letzten Geld ein letztes grosses Spiel zu entwickeln. Auf eigenes Risiko. Dank einigen kleinen Nebenaufträgen konnten sie sich genug lange über Wasser halten, um das Spiel zu entwickeln und zu vermarkten. Das Engagement wurde belohnt: „Orbital“, ein Strategisches Puzzle Game mit Space-Optik erhielt ein grosses mediales Echo und spülte genug Geld in die bitforge-Kassen, damit das Team irgendwie doch noch weitermachen konnte. Dann kam plötzlich Steve Jobs. Sie seien vollkommen unvorbereitet gewesen. Apple habe lediglich gefragt, ob man ihre App für Marketingzwecke verwenden dürfe. Schliesslich präsentierte der Apple-Gründer am 27. Januar 2010 an einem seiner medienwirksamen Auftritte das erste iPad der Welt. Wie Weihnachten sei es gewesen, sagt Andreas, als er sein Spiel „Orbital“ auf dem iPad des Apple-Genies entdeckte. Orbital wurde zum Gesprächsstoff in sämtlichen Technikforen. „Danach folgte der Anna’s Best-Auftrag und hier sind wir nun“. Reto lächelt.

 

 

Wir sitzen in der Sofaecke des grossen Raums, der Startup-Charme spüren lässt. Ein abgetrennter Sitzungsraum und eine kleines Zimmer mit Kaffeeecke sowie eine Rumpelkammer mit alten Testobjekten und ähnlichem gehören noch zur Raumausstattung. Und natürlich die Schreibtische, an denen die Entwickler an mehreren Bildschirmen ihrer Kreativität freien Lauf lassen. Dominant ist das Grün. Eine grüne Wand, grüne Kissen, grüne Regalteile, ein grünes Tischchen, grüne Stühle. Überall findet man die bitforge-Farbe, die dem Raum Licht verleiht.

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Ein Blick durch den Raum an der Hohlstrasse.

Und wie entsteht nun so eine App? „Zunächst kommt der Kunde mit einer Idee oder einem bereits bestehenden Konzept auf uns zuineerklärt Reto. Dann entscheiden sie gemeinsam: ist das Projekt realistisch? Ist es im Rahmen des gewünschten Budgets zu machen beziehungsweise wieviel würde es kosten? Welche Ideen lohnen sich und welche könnte man auch einfacher gestalten oder gar weglassen? Anschliessend erstellt das Team einen Zeitplan und eine Aufwandschätzung, woraus sich die Offerte für den Kunden ergibt. Dann erarbeiten sie ein funktionales und ein gestalterisches Konzept. Projekte, die kompliziert in der Umsetzung sind werden schnell visualisiert, um die Möglichkeiten auszutesten. Technik und Design werden parallel entwickelt. Mittels sogenannten Screenflows wird entschieden, was auf welche Seite kommt und was auf dieser Seite geschehen soll. Seit sie auch einen Designer im Haus haben, können sie alle Arbeitsschritte selbst erstellen, das sei ihnen wichtig.

„Das Anspruchsvolle an diesen Projekten ist, dass wir jedes Mal etwas Neues sehen und entscheiden müssen, was möglich ist und was nicht. Und wir müssen uns in verschiedenste Branchen eindenken. Dafür lernt man auch immer etwas dazu“. Für Worldvision hatten sie den Auftrag, ein Spiel zu entwickeln, dass den Mehrwert eines Brunnens im Dorf sichtbar macht. Oder für Fust eine App zur WM, natürlich mit Fussball und dem Wunsch, dass man mit Schütteln spielen kann. Ich staune und bewundere die kreative Arbeit, die das Team fertig bringt. Wenn eine erste Version der App steht, geht es in die Testingphase. „Ganz früher haben wir auf über 50 Geräten getestet. Mittlerweile reichen – je nach App – in der Regel fünf bis zehn Geräte.“ Reto mag den weitverbreiteten „Plattformkampf“ gar nicht. Ob Androide oder Apple, Hauptsache, die App funktioniert. Je nach Kunde läuft das Projekt im engen Kontakt ab, meist jedoch sind die Kunden besonders zu Beginn und zum Schluss stark mit eingebunden.

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Die „Sternenflug“-App haben die Jungs für Coop entwickelt. Als Schneemann Max und Engelchen Fabia sammelt man Sterne, um sie zurück in den Himmel zu schicken.

Und welche Kunden lehnt ihr ab? „Solche, die zu uns kommen und sagen: wir wollen einfach irgend eine App für unsere Firma“. Meist stelle sich schnell heraus, dass dieser Auftraggeber eher eine mobile Website benötigt. Der User steht für das bitforge-Team im Zentrum, denn weder die Entwickler noch die Auftraggeber müssen letztlich mit der App umgehen können. Die Kundenprofile von bitforge reichen von grossen Firmen wie Swisscom über KMU’s, Privatpersonen und Industrieprojekte. Alle Projekte sind von Anfang an auf der Website aufgeführt. Mittlerweile machen sie am meisten Umsatz mit Apps, Spiele machen nur noch etwa einen Viertel aus.

Reto ist stolz auf sein Startup, das merkt man ihm an. Besonders stolz machen ihn die vielen erfolgreichen Projekte, die er mit seinem Team umgesetzt hat. „Geil“ und „mega cool“ höre man oft im bitforge-Gamelabor. Er bereue keine Sekunde seines Startup-Lebens. Und er würde es jedem empfehlen. „Sofern du nichts zu verlieren hast“, fügt Reto dann doch noch an. Denn seine damalige Situation war ideal: als Student lebte er noch bei den Eltern, hatte keine Verpflichtungen. Ausserdem findet man als gelernter Informatiker praktisch immer einen Job. Die Angst, im Falle eines Scheiterns arbeitslos und verschuldet dazustehen, war also relativ klein. Dennoch seien sie sich des Risikos immer bewusst gewesen. Wenn es nicht klappt, dann klappt es halt nicht, da hätten sie sich nichts vorgemacht. Das Risiko hat sich gelohnt. Bitforge kann auf ein breites Netzwerk von Kunden zurückblicken, von denen einige schon seit Jahren dabei sind. „Mittlerweile können wir uns unsere Arbeit selbst aussuchen. Das ist sehr viel Wert“. Zurzeit sind sie an einem Schweizer Pionierprojekt, bei dem sie ein Tabletgame in ein Konsolengame umbauen. Wie bei Orbital auch diesmal auf eigenes Risiko. Wann das Spiel auf den Markt kommen wird, ist noch geheim.

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Der CEO und Gründer von bitforge, Reto Senn vor der grünen Wand.

„Das wichtigste für einen Startup-Unternehmer ist, Eigeninitiative zu ergreifen und sich ein Netzwerk aufzubauen“. Und man müsse dranbleiben können, kreativ sein und kommunikativ. Selbstständig und auch mal „out of the box“ denken können. Schliesslich hat Reto so viele Freiheiten wie an keinem anderen Arbeitsplatz. Wo sonst kann man 70% arbeiten und dabei Papi und CEO gleichzeitig sein?